Funky Funghi
Archive of the Unknown –
Baalbeck Studios Beirut
Teil des Composting Knowledge-Netzwerks auf der documenta fifteen
Mit Georges Azzi, Mohamad Bzih, Paola Faddoul, Anne Gauger, Christina Georges, Benjamin Gerull, Kathrin Herold, Elias Khoury, Magdalena Kratzer, Lucia Ott, Joseph Rustom, Anja Schäfer, Sandra Schäfer, Karen Stephan und Manuela Unverdorben
https://documenta-fifteen.de/en/composting-knowledge/
https://www.alba.edu.lb/english/Homepage
Mit finanzieller Unterstützung der documenta fifteen, des Goethe-Instituts Beirut, ALBA Beirut und dem Akademieverein München
Behausung
Anja Schäfer
Raum: A.O2_56
Anja Schäfer
Klasse Sandra Schäfer
Behausung, 2022
220x140x140cm,
Holz, gewalzter Filz, Garn, Nägel, Krampen, Schrauben, Infrarot-Wärmelampe
Ich baue meine eigene Behausung,
Hütte,
Schuppen,
mein Zuhause.
Wie du immer gezimmert hast und ich ein wenig mithämmern durfte, auf Anweisung.
Ich kloppe die Nägel rein, drauf, krumm und zimmere es irgendwie zusammen, wie Papa.
Und dann nähe ich, wie Oma, wie Mama. „Das muss eine Frau können!“, das hat Oma immer gesagt, (...)
Meine Behausung, abgestimmt auf die Größe meines Körpers: Sie ist eine Andeutung an einen Ort der Ruhe, ein Zufluchtsort, ein Schutzraum und zugleich schwingt etwas Bedrohliches mit. Sie könnte zuklappen während ich darin liege.
IDEALFORM
Benjamin Gerull
Raum: E.O1.23
Plantagengröße variabel
Wuchshüllen (Polypropylen) 9x9x110cm
Holzwürfel (Douglasie) 9x9x9cm
Pigment-Inkjetprints 73,5x49cm
Nicht nur Kräfte oder Elemente wie Feuer formen neue Landschaften, sondern der
Mensch in direkter Absicht transformiert flächendeckend Naturlandschaft zu
Kulturlandschaft.
In industrieller Forstwirtschaft will er den Bedarf der Population decken und gleichzeitig
Profit durch Maximierung der Erträge generieren.
Monokulturen von Nadelhölzern sind das Mittel erster Wahl und die fatalen
Konsequenzen längst wissenschaftlich belegt. Bodenverödung, Verdichtung und Erosion.
Hinzu kommen sterbende Biodiversität, Schädlingsbefall, Sturmschäden und die
steigende Gefahr für Waldbrände.
Meine Aufmerksamkeit fällt dabei auf ein weiteres Prinzip.
Die Aneignung der Landschaften erfolgt auf sehr strukturierte Weise.
Ein orthogonales Raster aus Rückegassen, Transportwegen und Parzellen zieht sich durch
die gesamte Kulturlandschaft. Dieses ermöglicht die absolute Kontrolle über die Kultur
und Aufforstung, welche in Reihe und Glied gesetzt wird.
Die Jungpflanzung selbst erfolgt in zylindrischen Wuchshüllen, auf deren quadratischer
Grundfläche die Kultur schnell zum Licht rangt, und die der Dezimierung durch Wildtiere
vorbeugt.
Ein laborähnliches Arrangement greift die Serialität und das Raster der fragilen
Kulturlandschaft auf. In meiner eigenen Aufzucht, steht die Wuchshülle für einen Cocon,
fungiert wie eine Petrischale oder ein Reagenzglas, in der keine Jungpflanzen mehr
wachsen sonder sich spielerisch passgenaue Holzwürfe türmen.
Ich verstehe diese Arbeit als Persiflage.
Die Idealform hat sich in meiner dystopischen Vorstellung dem ausbeuterischen
Produktivitätsdenken des Athropzäns gefügt und wohlwollend angepasst.
Die markanten Jahresringe der Hirnholzwürfel erinnern den Baum als Lebensform.
Sie rufen ihn als offenes System, vernetzt und kommunikationsfähig ins Gedächtnis
Das Industrieprodukt „Die Wuchshülle“ hingegen mit dem Claim „intelligenter
Forstschutz“ steht für mich als Antagonist zu nachhaltiger Forstwirtschaft.
Auf der Website des Herstellers kann man zu Nachhaltigkeit lesen: „Unsere Hülle zerfällt
nicht, ist wiederverwend- und wiederverwertbar, hinterlässt keine Rückstände und trägt
somit zum Schutz der Umwelt bei.“
https://klasseschaefer.com/Benjamin-Gerull